Bonding – auch eine Vätersache

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Der Ursprung des Bonding liegt in der intensiven Gefühls- und Bindungsentwicklungsphase zwischen der Mutter und dem Kind. Es ist das Gefühl der Mutter, dass sie ihr Baby mit Liebe und Aufmerksamkeit überschütten möchte und ihr Baby mit ihrem eigenen Leben vor Gefahren schützen würde. Mutter und Kind haben in der Regel durch die Schwangerschaft eine enge Bindung aufgebaut, welche nach der Geburt durch das Stillen und den engen Körperkontakt noch intensiviert wird. Dieser Vorgang ist ganz natürlich und wird von dem Fachpersonal bewusst gefördert.

Viele Eltern erleben dieses Gefühl bereits in der Schwangerschaft oder wenige Minuten nachdem ihr Baby zur Welt gekommen ist. Bei manchen stellt sich das Gefühl erst nach ein paar Tagen oder Wochen der Geburt ein.

In der Vergangenheit war man der Ansicht, dass die entscheidende Grundlage für die Bindung zu einem Neugeborenen die verbrachte Zeit mit ihm ist, in der die Bindung aufgebaut und gefestigt wird. Heute weiss man, dass Bonding mehr als Zeit braucht. Aus der Erfahrung von Eltern, die aus medizinischen Gründen gleich nach der Geburt von ihrem Kind getrennt werden, oder jene, ein Kind adoptieren, können somit genauso enge, liebevolle Bindungen und Beziehungen geknüpft werden.

Auch für Väter ist das Bonding sehr wichtig, wenngleich der Vater-Kind-Beziehung bis nach einigen Tagen oder Wochen keine grosse Beachtung geschenkt wird. Sie wird leicht vergessen, da das Augenmerk hauptsächlich auf Mutter und Baby gerichtet ist. Doch wie lässt sich das Band zwischen Baby und Vater enger knüpfen? Es sind die Väter, die biologisch im Nachteil sind und oft etwas ausserhalb der Beziehungsfindung stehen.

BINDUNG IN DER SCHWANGERSCHAFT

Die Grundvoraussetzung der Bindung von Mutter und Kind in der Schwangerschaft ist aus biologischer Sichtweise schon gegeben. Schliesslich ist es die Frau, die das Kind über Wochen im Bauch trägt und die Veränderungen ihres eigenen Körpers und des Babys in dieser Zeit „hautnah“ miterlebt. Die Bindung vom Vater zum Kind kann gleichermassen schon in der Schwangerschaft beginnen, muss aber aktiv erarbeitet werden. Dabei ist die wichtigste Voraussetzung das wirkliche Interesse an seinem Kind - was leider bei einigen Männern nicht gegeben ist. Zudem sollte der werdende Vater

  • bei allen Untersuchungen der Partnerin in der Schwangerschaft dabei sein,

  • viel mit der Partnerin oder - noch besser - mit dem Kind sprechen,

  • vielleicht dem Baby ein Buch vorlesen oder etwas vorsingen,

  • den Bauch streicheln oder mit Öl massieren,

  • bei dem Geburtsvorbereitungskurs als Begleitung anwesend sein,

  • einen Babykurs besuchen,

  • mit den Eltern oder Bekannten über das Baby sprechen.

Einige der Vorschläge klingen banal oder brauchen ein wenig Überwindung. Doch durch diese Möglichkeiten verbringen Sie schon eine aktive Zeit mit Ihrem Baby, bevor es geboren ist.

Väter, die ihre Zeit vor der Geburt nutzen, um sich mit der kommenden neuen Situation auseinander zu setzen, sind besser darauf vorbereitet, die Bedürfnisse des Babys zu erfüllen und sind so sicherer im Umgang mit dem Neugeborenen, sodass sie sich dem Baby von Beginn an intensiv und entspannt widmen können.

Zudem ist ein soziales Netzwerk aus erfahrenen Vätern sinnvoll. Väter wie auch Mütter können nach Kontakten zu anderen Eltern Ausschau halten, um sich so auszutauschen.

BINDUNG NACH DER GEBURT

Je früher der Vater das Baby nach der Geburt in den Armen hält, desto schneller kann die neue Form der Bindung entstehen, da die Bindung bis jetzt nur ohne körperlichen Kontakt möglich war. Natürlich steht die Mutter in Sachen Bonding weiter an erster Stelle, doch spricht nach einer komplikationslosen Geburt nichts gegen ein gemeinsames Kuscheln zu Dritt.

Eltern müssen nicht verzweifeln, wenn es länger dauert, bis sich die besondere Bindung bei ihnen einstellt. Die Eltern-Baby-Bindung kann nicht erzwungen werden, ist kompliziert und entwickelt sich erst mit der Zeit. Ihr Baby wird keinen Schaden nehmen, falls Sie in den ersten Tagen oder Wochen keine Bindung zu ihm aufbauen konnten, solange Sie Ihr Baby umsorgen, seine Grundbedürfnisse befriedigen und regelmässig mit ihm kuscheln. Es ist verständlich, dass eine solche Situation nicht angenehm für Mutter und Vater ist - oft kommen Schuldgefühle und ein persönlicher Druck begleitet von der Frage: „Wieso empfinde ich nicht so, wie es alle erzählen? Wo bleibt mein unbeschreibliches Glücksgefühl?“ auf. Dabei müssen Sie sich im Klaren sein, dass Bonding eine individuelle Erfahrung ist und es vernünftig ist, dieser Entwicklung Zeit zu geben.

Ebenso wie die Mutter kann auch der Vater die körperliche Nähe intensivieren, indem er das frisch gewickelte, nackte Baby auf den freien Oberkörper legt. Intensiver Hautkontakt und der Geruch des jeweils anderen fördern das Gefühl der Zusammengehörigkeit. Auch die Unterstützung der täglichen Aufgaben - Windeln wechseln, das Füttern (falls die Flasche gegeben wird) und natürlich das Baden - können das Bonding zwischen Vater und Kind fördern. Der Vater sollte möglichst an den Vorsorgeuntersuchungen beim Kinderarzt teilnehmen. Dort erfährt er sie aus erster Hand alles über den Gesundheitszustand und die Entwicklung des Kindes.

Das Baby ist eine ganz neue Persönlichkeit in Ihrem Leben, das Sie erst einmal kennenlernen müssen, um es verstehen zu können. Es gibt für diese Bindung keine magische Formel und man kann sie nicht erzwingen. Sie können aber sicher sein, dass sich eine richtige Eltern-Kind-Beziehung jeden Tag ein Stück weiter entwickelt und Sie die Gegenwart Ihres Kindes nach einer gewissen Gewöhnungsphase auch geniessen können. Väter und Babys, die gelegentlich miteinander allein sind, entwickeln eine besonders enge Bindung zueinander. Die Elternzeit bietet für Väter eine zusätzliche Möglichkeit, viel Zeit mit dem Kind zu verbringen, was immer mehr Väter nutzen und langfristig von dieser Zeit profitieren. Sie werden feststellen, dass Ihre Gefühle intensiver werden und in einem unerwarteten Moment - vielleicht ist es das erste Lächeln oder wenn das Baby friedlich im Bettchen schläft - werden Sie es ansehen und realisieren, dass Sie unbeschreiblich glücklich und voll Liebe für dieses Baby sind.

SORGEN UM DIE GEFÜHLE

Wenn Sie sich auch nach einigen Wochen nicht besser und glücklicher mit Ihrem Baby fühlen und die Gefühle nicht intensiver wurden als kurz nach der Geburt, oder Sie sich sogar entfremden, sollten Sie mit einer Fachperson darüber sprechen. Ihre Partnerin könnte zum Beispiel eine Wochenbettdepression haben, was eine ernstzunehmende Erkrankung ist und das Bonding verzögern kann. In dieser Situation so schnell wie möglich eine professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen ist das Beste. Die richtige Hilfe und Unterstützung kann die Beziehung zu Ihrem Kind schützen. Jeder Tag, den Sie abwarten, macht es schwieriger, das Vertrauen und die Aufmerksamkeit Ihres Babys zurückzubekommen.

 

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