Trotz Trennung - Kinder brauchen den Vater

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Väter spielen eine wesentliche Rolle bei der Erziehung der Kinder. Es hat meist tiefgreifende negative Folgen für die psychische Stabilität der Kinder, wenn der Vater in der Familie plötzlich fehlt. Früher glaubte man, dass der Vater frühestens ab dem Schulalter wichtig für die Kinder wird; heute weiss man, dass der Vater schon im ersten Lebensjahr wichtige Funktionen und Aufgaben erfüllt, die von der Mutter nicht ersetzt werden können. In der schwierigen Phase, in der sich das Kind immer mehr von der engen Beziehung zur Mutter löst, muss der Vater die damit verbundenen Trennungsängste mit Sicherheit und Vertrauen füllen. Gleichzeitig ist er in der Regel das erste männliche Identifikationsobjekt. Die Mutter zeigt und unterstützt eher „sanfte“ Erfahrungswerte wie das Bindungsverhalten, den emotionalen Austausch, Sprache und Fürsorge. Der Vater steht mehr für Aktionen und Aktivitäten und unterstützt schon sehr früh das Erkundungsverhalten und die Expansionswünsche des Kindes. Das sind grundlegend unterschiedliche Erziehungsschwerpunkte, welche das Kind braucht.

Man hat die letzten Jahrzehnten versucht die Geschlechter in der Eigenwahrnehmung, Gesellschaft, Politik und am Arbeitsplatz anzugleichen, was mehr oder weniger erfolgreich war. Deshalb ist es wichtig, ein gegenseitiges Verständnis der Geschlechter füreinander herzustellen. Bei Mädchen und Jungen gibt es angeborene Verhaltensmuster, die sehr unterschiedlich sind. Einen Jungen wie ein Mädchen oder ein Mädchen wie ein Jungen zu behandeln und zu erziehen, erzeugt einen enormen Widerstand, weil sie in ihrem geschlechterspezifischen Rollenverhalten und ihren Vorstellungen gebrochen werden. Was sich auf das Bindungsverhalten zum anderen Geschlecht negativ auswirkt und Angst, Hass, Protest, Ablehnung und das Gefühl, vom anderen Geschlecht bevormundet zu werden, erzeugt. Aus diesem Grund sollte keine Gleichberechtigung, sondern eine Gleichwertigkeit der Geschlechter angestrebt werden.

DIE VATERENTWERTUNG

Eine Trennung oder Scheidung der Eltern kann verheerende Auswirkungen auf das Kind haben. Aus einer solchen, meist von Wut, Hass und Angst begleiteten Situation, entsteht bei vielen Kindern ein Trennungstrauma. Das Trauma entwickelt sich beim Kind nicht in erster Linie, weil der Vater weggeht, sondern aus dem Verhalten und Umgang der beiden Elternteile zueinander. Gelingt es den Eltern weiterhin, respektvoll miteinander umzugehen, gemeinsam die Verantwortung für die Kinder zu übernehmen und auch in Zukunft einen regelmässigen Kontakt zum Vater zu ermöglichen, muss eine Trennung der Eltern keine negative Langzeitwirkung nach sich ziehen. Leider ist aber eine solche für das Kind optimale, gut „geplante“ Trennung die Ausnahme. Denn für viele Menschen, egal ob Mann oder Frau, ist eine Trennung bzw. Scheidung ein grosser Schock, mit dem sie nicht richtig umgehen können. Für die betroffenen Kinder ist dies schrecklich, und es entsteht ein nicht zu unterschätzendes Loyalitätsproblem, wobei sie oft den Elternteil ablehnen, der besser mit der Situation umgehen kann.

Wer und wann schlussendlich die Familie verlässt, lässt man nicht genau erkennen. Aus vorhandenen Statistiken ist zu lesen, dass eine Scheidung eher von Frauen ausgeht. In diesen Daten ist kein Grund von Scheidungen zu erkennen und so ist keine Aussage möglich, ob die Männer schon früher gegangen sind oder die Frauen diesen Schritt tätigen. In der Regel ist es der Mann, der die Familie verlässt oder gehen muss, wenngleich die Tendenz der letzten Jahren zeigt, dass immer mehr Frauen diesen Schritt zu tun. Es ist jedoch nicht nachzuvollziehen, ob sich Männer eher trennen wollen als Frauen. Durch die Erfahrungen über das Verhalten und die Bedürfnisse von verheirateten Männern kann man allerdings mit Bestimmtheit die Aussage treffen, dass sie eher zu konservativen Lösungen neigen. Sie verlassen zwar die Familie, wollen sich aber nicht scheiden lassen. In einigen Fällen wollen sie sich auch nicht trennen, weil ihre Ansprüche an die Ehe nicht so hoch sind wie bei Frauen.

Es ist ein Unterschied für das Vaterbild, ob ein Vater die Familie freiwillig verlässt oder stirbt. Tritt der traurige Fall ein, dass der Vater stirbt, bleibt er für die Kinder als positives Vaterbild erhalten. Zugleich bleibt auch die innere Beziehung der Eltern bestehen, sodass die Kinder den Vater als positives Identifikationsobjekt verinnerlichen, was für die Bildung des Charakters und die eigenen Werte sehr wichtig ist. Bei einer freiwilligen Trennung aber zerbricht nicht nur das äussere, sondern auch das innere Familiengefüge und dadurch entsteht bei den meisten Kindern ein negatives Vaterbild.

Die Einstellung zu einer Patchwork-Familie ist in der Gesellschaft sehr unterschiedlich: Für die einen ist es der Untergang der traditionellen Familie, für andere ist es das Familienmodell der Zukunft. Fakt ist, dass die Väter von Heute oftmals eine Zweitfamilie gründen. Für Kinder früheren Beziehungen kann es besonders schwierig sein, wenn der Vater weggeht, um für andere Kinder zu sorgen. Auch hier kommt es sehr stark auf den Umgang mit dieser Situation an. Dabei ist am Wichtigsten, wie die verschiedenen alten und neu geknüpften Beziehungen funktionieren, denn in einer Zweitfamilie mit Verwandten und Bekannten aus drei, vier oder mehr Familien ist das Beziehungsnetzwerk wesentlich grösser - was zu sehr komplizierten Konstellationen führen kann, die sehr viel Reife und Souveränität erfordern. Grundlegend ist der Umgang mit der Trennung von den leiblichen Eltern und wie die neuen Partner mit den neuen Kindern zurechtkommen.

Der Verlust eines Elternteils wirkt sich umso negativer aus, je kleiner das Familiennetz ist. Die heutige Entwicklung zeigt, dass es immer mehr Kleinfamilien gibt, die aus Mutter bzw. Vater und einem Kind bestehen. Durch das fehlende Elternteil entfallen ganz wichtige Bestandteil einer Familie, die ein Kind für seine Entwicklung braucht. Heute sind deshalb vermehrt Anforderungen an einen sozialen Vater gestellt. In Zukunft wird es darauf ankommen, ob Männer ein väterliches und fürsorgliches Verhalten entwickeln können, um sich sowohl in neuen Partnerschaften mit fremden Kindern als auch im gesamten sozialen Umfeld wie der Schule, Vereinen usw. als Ersatzväter anbieten können.

VATERERSATZ

Es ist unmöglich, dass eine Mutter den Vater ersetzt, denn die Aufgaben und Verantwortung als Mutter sind schon genug hoch. Der Vater hat eine ganz eigene Funktion, die von der Mutter nicht ersetzbar ist. Eine weitere wichtige Erkenntnis: Eine Frau kann kein Mann sein. Aus diesem Grund sind Väter so wichtig. Es kann nicht geleugnet werden, dass es Geschlechterunterschiede hinsichtlich der Eigenschaften und dem Verhalten gibt. Die Mutter kann sich bemühen, den Vater in einer positiven Form für das Kind zu erhalten, ihm geregelte Besuche zu ermöglichen, ein positives Bild zu vermitteln - all das sind sinnvolle Massnahmen, aber kein Vaterersatz.

Der Verlust eines Vaters ist immer ein Trauma, wobei Jungen und Mädchen dies sehr unterschiedlich verarbeiten. Jungen verarbeiten Konflikte mehr nach aussen und entwickeln oft ein sozial schwieriges Verhalten; Mädchen mehr nach innen und entwickeln dabei eher psychosomatische Störungen. Zudem fehlen den Jungen die inneren Haltestrukturen und sozialen Werte wie Risikobereitschaft, Durchsetzungsfähigkeit, soziale Verantwortung, Fairplay, männliches Selbstvertrauen usw., welche ihnen nur der Vater vermitteln kann Bei einem Mädchen fehlt die männliche Identifikationsfigur, von der es das Verhalten gegenüber Frauen und die Werte einer Beziehung lernt. Für Jungen und Mädchen trifft zu, dass ihr geschlechtsspezifisches Identitätsgefühl durch den Verlust des Vaters in gleicher Weise geschwächt wird.

Die heutige Gewaltbereitschaft männlicher Jugendlicher hat auch mit der stärker verbreiteten Vaterentbehrung zu tun. Es gibt Statistiken, welche die vermehrte Häufigkeit von Kriminalität, Verwahrlosung und Süchten bei Männern ohne Vaterbezug bestätigen. Die vaterlos oder mit einem Ersatzvater aufgewachsenen jungen Männer verfügen sehr oft auch über ein negatives Männerbild.

Man kann auch nicht sagen, was besser für ein Kind ist: ein gewalttätiger Vater oder gar keiner. Es ist klar, dass pathologische, gewalttätige oder verwahrloste Väter auch negative Auswirkungen auf ihre Kinder haben. Viele Männer besitzen nicht das nötige emotionale Einfühlungsvermögen oder können die väterliche Identität zu den Kindern nicht entwickeln. Doch so „schlecht“ ein Vater auch sein mag, ist seine Anwesenheit immer von Vorteil. Die Kinder können sich an ihm als positives oder negatives Vorbild orientieren und er sorgt für die Familie. Ein emotionaler Mangel gegenüber den Kindern ist nicht zu vergleichen mit einem Vater, der überhaupt nicht anwesend ist.

 

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