Väter in der modernen Arbeitswelt

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Die digitale Wirtschaft führt in bestimmten Berufsfeldern wieder zu einem stärkeren Zusammenrücken von Beruf und Freizeit. Das Homeoffice, Telearbeit und Vertrauensarbeitszeit können die elterlichen Spielräume zwar erweitern, bergen aber auch entsprechende Risiken, da Väter mit einem solchen Arbeitsmodell immer häufiger nur physisch zu Hause anwesend sind. Die Online-Verbindung zum Unternehmen funktioniert auch um Mitternacht, durch die Globalisierung und die Zeitverschiebung gibt es effektive Möglichkeiten, mit dem Hauptsitz des Unternehmens, beispielsweise in den USA, während der Nacht zu arbeiten.

Die Arbeit endet nie, denn in vielen Firmen ist die Stechuhr längst verschwunden und sogar nachts um 2 Uhr werden kreative Einfälle notiert. Die ausgedienten Zeiterfassungssysteme werden durch neue Arbeitsmodelle ersetzt, welche sich an Leistung und Projekten orientiert. Durch die Einführung einer Vertrauenszeit kann fast jeder kommen und gehen, wie er will. Vorgesetzte treten kaum noch in Erscheinung, Anweisungen werden durch die elektronischen Kommunikationsmittel verteilt, kaum einer kümmert sich darum, ob jemand an seinem Arbeitsplatz sitzt oder nicht. Diese Situation ist zwar ein wenig übertrieben, aber durchaus möglich.

EINFACHES PRINZIP – ENORME WIRKUNG

Das Prinzip solcher Arbeitsmodelle ist einfach und doch komplex: Unternehmen führen derartige Modelle nicht als Zeichen der Solidarität und Nächstenliebe gegenüber den Mitarbeitern ein. Wenngleich man sich als Mitarbeiter mit der Möglichkeit, seine Arbeitszeit selbst zu gestalten, erleichtert und frei Fühlt, wird bald aber mehr Zeit in die Arbeit investiert als erhofft und gewünscht. In der heutigen Arbeitswelt sind der Zeitdruck und die geforderte Leistung ein stetiger Begleiter, und so müssen Projekte und Arbeiten zu einem bestimmten Termin erledigt werden, was eine sehr effiziente Kontrollfunktion des Unternehmens über den Mitarbeiter ist. So hat schon mancher Vater viele Abende und so manches Wochenende bei der Arbeit verbracht. Das Resultat daraus ist, dass die sozialen Kontakte immer weniger werden und die aktive Freizeitgestaltung immer schwieriger. Irgendetwas Dringendes kommt bei geplanten Aktivitäten immer dazwischen und für Hobbys, Ruhephasen oder längere Auszeiten fehlt einfach die Zeit. So reicht der lange Arm der Arbeit weit in das Privatleben hinein.

WORK-LIFE-BALANCE

Der Stapel unerledigter Arbeiten spukt so manchem Mitarbeiter auch noch abends am Esstisch im Kopf herum. Fragen der Kinder werden mürrisch und knapp beantwortet, unkonzentriert wird dem Kind im Bett eine Geschichte vorgelesen. Die Gedanken schweifen ab zu einem vergessenen oder dem bevorstehenden Telefonat mit der Niederlassung, in der die Arbeitszeit erst jetzt beginnt. Nicht selten stellt man sich am Abend noch die Frage, ob man sich in den Firmenrechner einloggen soll.

Die Work-Life-Balance ist in einer solchen Situation längst aus dem Lot geraten. In einer Gesellschaft, deren zentrale Ausgangslage die Erwerbstätigkeit ist, definiert sich das private Leben als eine Art Restzeit. Gerade in der modernen Arbeitswelt, in der elektronische Hilfsmittel wie das Internet von immer grösserer Bedeutung werden, kollidieren die beruflichen Anforderungen massiv mit den Interessen von Familien. Durch Notebook und Smartphone wird jeder Platz zum Arbeitsplatz und man ist praktisch 24 Stunden am Tag erreichbar. Beruf und Karriere verlangen ein hohes Mass an beruflicher Flexibilität, welche auf private Bindungen und Freundschaften kontraproduktiv wirken.

Beruf und engagierte Vaterschaft sind zentrale Punkte, welche unvereinbare Gegensätze bilden - sozusagen Plus- und Minuspool. Beide sind wichtige, elementare Bestandteile einer Familie, wobei das eine ohne das andere kaum bestehen kann. Ein Vater, der sich an der privaten Versorgungsarbeit ernsthaft aktiv beteiligen will, muss bei der Arbeit zu Kompromissen bereit sein, denn er ist nicht mehr beliebig einsetzbar.

MÖGLICHKEITEN ZUM GLEICHGEWICHT

Dabei könnte eine Arbeitsmethode helfen, welche in der Vergangenheit Künstlern oder Handwerkern vorbehalten war: Das reine Homeoffice oder die Heimarbeit per Telekommunikation bietet dem Vater neue Chancen, ein Gleichgewicht zwischen Beruf und Privatem zu finden.

Wurde vormals das Prinzip des primären Arbeitsplatz im Unternehmen mit enormen Auswirkungen auf das Privatleben durchgeführt, so ist diese Arbeitsweise im Prinzip das Spiegelbild. Der Vater hat seinen festen Arbeitsplatz Zuhause und ist nur punktuell an seinem provisorischen Arbeitsplatz im Unternehmen, wenn Besprechungen anstehen. Auf den ersten Blick sehen die beiden Modelle fast gleich aus, doch in der Arbeitsweise und -verhalten sind hier enorme Unterschiede zu erkennen.

Aber auch hier besteht das Risiko, dass die Grenzen zwischen Job und Freizeit verschwimmen, wenn der Vater immer unterwegs und immer erreichbar ist. In der heutigen 24-Stunden-Wirtschaft ist es schwierig abzuschalten und einen klaren Strich zu ziehen, der das Privatleben schützt.

Dass Beruf und Freizeit wieder stärker zusammenrücken, bringt auch ein weiteren Vorteil mit sich: Es entsteht Bewegung bei den Geschlechterverhältnissen und den Frauen bietet diese Form der Berufstätigkeit neue Chancen abseits des Niedriglohnsektors. Im Optimalfall entwickeln sich hier Nischen, die einen anderen Lebensstil der Familie zulassen.

Die elektronische Vernetzung kann den Spielraum eines Vaters erheblich erweitern, aber auch dazu führen, dass der Vater Zuhause nur noch physisch anwesend ist. So mancher Vater wünscht sich an einem warmen Sommertag, mit seiner Familie schwimmen zu gehen oder für ein paar Monate kürzer zu treten, um mehr Zeit für die Familie zu haben. Die atemlose Projektarbeit und der permanente Leistungsdruck lassen dazu aber meist wenig Raum. Trotz aller Möglichkeiten der Selbstbestimmung ist der Dienst für die Firma eigentlich nie zu Ende. So laufen viele Väter Gefahr, alles zu verpassen, was ein gutes und erfülltes Leben ausserhalb der Arbeit ausmacht.

GRUNDLAGEN DER ARBEITSWELT

  • Trotz aller Bemühungen bleiben Beruf- und Privat- bzw. Familienleben zwei Welten mit gegensätzlichen Wertsystemen. Es ist eine Illusion, wenn man denkt, sie im Gleichgewicht miteinander verknüpfen zu können. Im besten Fall sind sie mit persönlichen biografischen Kompromissen kombinierbar.

  • Es gibt keine familien- oder väterfreundliche Unternehmen. Bestimmte Firmen sind aber durchaus bereit, ihren Mitarbeitern gewisse Zugeständnisse zu machen, damit diese nicht aus dem Unternehmen abwandern. Der Workaholic wird aber für das Unternehmen immer effektiver sein als der familienorientierte Vater.

  • Männer meiden die Risiken unterbrochener Erwerbsbiografien. Für viele Väter ist ein befristetes Aussteigen aus der Erwerbstätigkeit keine attraktive Lösung, auch wenn die Familienpolitik eine solche Grundlage bietet.

  • Zunehmend bevorzugen auch Frauen das Nebeneinander von Familie und Karriere über das Mass der Teilzeitarbeit hinaus. Darauf sind betriebliche Strukturen, Betreuungseinrichtungen und familienpolitische Instrumente unzureichend eingestellt.

  • Vor allem in Grossstädten entwickelt sich bei den Vätern ein neuer Lifestyle, die durchaus bereit sind, berufliche Brüche und einen Karriereverzicht auf Zeit in Kauf zu nehmen. Sie sind eine stetig wachsende Zielgruppe für die Elternzeit.

 

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